Dr. Alireza Chizari: Von der Versicherung bis zur Batterie: Eine Bilanz des Versagens in Gesundheit, Industrie und Energie

Dr. Alireza Chizari
Dr. Alireza Chizari: Das Versagen im Gesundheitswesen beschränkt sich nicht nur auf Medikamentenmangel oder steigende Behandlungskosten. Es spiegelt eine tiefgreifende Krise in der wirtschaftlichen und industriellen Entscheidungsstruktur des Landes wider. Von der Krankenversicherung bis zur Batterie, vom Krankenhaus bis zum Kraftwerk – überall zeigen sich Spuren fehlerhafter Politik. Die Gesundheit der Bevölkerung ist Geisel inkompetenter Berater und mangelhafter Strategien geworden.

Gescheiterte Gesundheitspolitik:
Die Krankenversicherung im Rahmen der Gesundheitsreform ist kein Grund zum Stolz – vielmehr ein Symbol des Scheiterns des iranischen Gesundheitssystems. Genauso wie die Abwertung der Landeswährung das wirtschaftliche Rückgrat zerstörte und zu Armut, sozialer Unzufriedenheit, steigenden Produktionskosten und zum Verlust der Kaufkraft führte. Jene, die die Abwertung als „Förderung der lokalen Produktion“ theoretisierten, haben die ökonomische Basis des Landes schwer geschädigt. Wenn solche Maßnahmen strafbar wären, verdienten sie den Titel „Mutter aller Korruption“.

Finanzielle Armut ist nicht nur ein Problem des Lebensunterhalts – sie ist ein Einfallstor für strukturelle Korruption, administrative Selbstbereicherung und letztlich den Verrat am Gemeinwohl. Es ist ein tiefer Riss in der politischen Entscheidungsfindung. Eine Gesellschaft, die sich nicht für Gerechtigkeit einsetzt, sondern sich struktureller Armut beugt, ist zum Scheitern verurteilt.

Heute ist der Zugang zu modernem medizinischem Wissen und Technologien, die Tausende von Leben retten könnten, nahezu unmöglich geworden. Warum? Überhöhte Preise, monopolistische Strukturen und Devisenbeschränkungen. Wer medizinische Innovationen fördert, wird als „Preiswucherer“ diffamiert und ausgeschlossen. Das ist einer der Gründe, warum der Iran in internationalen Rankings zur Nutzung moderner Medizintechnik zurückfällt. Der verstorbene Dr. Sheibani war einer der wenigen, die Teile dieses Monopols durchbrachen.

Medizinisches Wissen ist heute Teil globaler Wertschöpfungsketten. Länder mit instabiler Währung werden nicht integriert – sie werden ausgeschlossen. Technologie folgt ökonomischer Vernunft, nicht Parolen.

Will ich heute neueste technologische Produkte in den Iran importieren, stoße ich auf ein Dickicht von Devisenbarrieren – ein „Währungs-Lock“, das Investoren abschreckt, Innovatoren frustriert und die Bevölkerung leiden lässt. Bürger, die Zugang zu hochwertigen Produkten verdienen, zahlen Preise wie für Fünf-Sterne-Produkte und erhalten Fahrzeuge wie Pride, Quick oder Atlas.

Wir haben keine echte Produktionswirtschaft, sondern „Pseudo-Produktion“. Produkte, die durch Importverbote und blinde Subventionen künstlich am Leben gehalten werden. Man nennt es „nationale Produktion“ – dabei ist das Ergebnis weder national noch wirklich produziert. Es ist ein Konstrukt aus Zöllen, subventionierten Devisen und ausgeschalteter Konkurrenz.

Die Ursachen dieser Missstände liegen in drei Faktoren:

  1. Niedriges Bildungsniveau vieler Entscheidungsträger,

  2. inkompetente und unprofessionelle Berater,

  3. chronische Instabilität der Landeswährung.
    Das Ergebnis ist keine Entwicklung, sondern Stagflation – das schlimmste wirtschaftliche Szenario: Inflation ohne Wachstum.

Auch im Energiesektor herrscht dieselbe Misere. Manche preisen Solarpanels als Allheilmittel – ohne technisches Verständnis oder ökologischen Weitblick. Doch wissen sie, dass diese Panels nur begrenzt haltbar sind? Dass Lithiumbatterien nach wenigen Jahren zu giftigem Sondermüll werden? Und dass deren Recycling enorme Mengen an Süßwasser erfordert – so viel, dass es ganze Flüsse austrocknen könnte?

Kernkraftwerke hingegen können bei richtiger Wartung bis zu 100 Jahre laufen – mit hoher Effizienz und stabiler Stromversorgung. Doch die Zukunft unserer Kinder wird nicht gesehen, und die Stimmen echter Experten verhallen. Wer die Sonne zur Handelsware macht, nimmt nicht einmal seine eigene Nachwelt ernst.

Im Dorf Kilan betreibt ein 70 Jahre alter Dieselgenerator der Marke Stanford immer noch eine Straße – ein Beweis, dass lokal entwickelte Technologien bei richtiger Pflege oft nachhaltiger sind als instabile Modetrends.

Dr. Hashemis Gesundheitsreform war ein kurzfristiger Erfolg – gestützt auf drei Säulen:

  1. kluge und patriotische Berater,

  2. politischer Mut,

  3. stabile Währung.
    Heute fehlt es an all diesen Elementen – und damit an Vertrauen in jede neue Reform.

Viele Ersatzteile medizinischer Geräte werden mittlerweile intransparent und teils illegal importiert. Der Umfang dieser Importe übersteigt manchmal sogar den Exportumfang angeblicher „Medizintechnik-Exporteure“. In einem System, in dem „Packesel-Transporte“ oder „Schmuggelrucksäcke“ die offizielle Lieferkette ersetzen, kann von Effizienz und Würde keine Rede mehr sein. Solche Branchenverbände, die weder Mitglieder noch Vertrauen haben, werden bald zerfallen – mit Ausnahme weniger ehrwürdiger Akteure.

Manche wiederum profitieren persönlich vom Schwarzmarkt für Devisen und dem informellen Handel – ganz ohne Registrierung, Buchhaltung oder Transparenz. In dieser Umgebung werden Schmuggler zu angeblichen „Tiefenentwicklern der Industrie“ stilisiert, während Fahrzeuge wie Pride oder Pick-Ups zu Preisen von Luxusautos verkauft werden.

Am schmerzhaftesten ist die Erkenntnis, dass der Iran einst Weltklasse-Marken hatte: Darugar, Arj, Azmayesh, Pars Electric, Qoo-Öl und Narges. Diese Produkte hielten mit Philips, Toshiba, Toyota oder General Electric mit. Damals war Import erlaubt – aber auch heimische Produktion war stark. Denn Wettbewerb war ein Motor der Entwicklung, kein Feind.

Wir produzierten zwei Varianten des gleichen Grandik-Fernsehers: eine lokale mit kabelloser Fernbedienung, eine importierte mit Kabel. Heute – trotz aller Monopole – warten wir immer noch auf ein Produkt, das dem iranischen Verbraucher gerecht wird. Das Problem liegt nicht im Talent, sondern in falschen Entscheidungen, restriktiven Politiken und dysfunktionalen Strukturen.

In internationalen Indizes wie Wettbewerbsfähigkeit, Innovation oder Geschäftsklima liegt Iran hinter Ländern, die unter Krieg oder Instabilität leiden. Wir stehen mit zerrissenen Schuhen auf einem staubigen Spielfeld und sehen zu, wie andere den Startschuss hören.

Wäre unsere Wirtschaftspolitik ein Arzt, würde sie die Krankheit erkennen – aber ein Rezept aus dem Mittelalter verschreiben. Wir kämpfen nicht mit den Herausforderungen der Moderne, sondern mit den Altlasten vergangener Fehlentscheidungen: hohe Zölle, Importverbote und tausendfach gescheiterte Rezepte. Wer mit schwacher Währung Spitzentechnologie importieren will und gleichzeitig medizinische Importe unter dem Vorwand „inländischer Förderung“ blockiert, ist entweder naiv oder ignorant. Es ist, als wollte man Roboterchirurgie durch Kräuterheiler ersetzen oder Wachtel-Eier für jedes Übel als Heilmittel verkaufen.

Heute ist die Neuausrichtung der makroökonomischen, industriellen und gesundheitspolitischen Strategien keine Option, sondern eine historische Notwendigkeit. Ohne sie stürzt nicht nur die Wirtschaft – sondern auch das Ansehen eines ganzen Gesundheitssystems.

Autor: Dr. Alireza Chizari